Gesamtkonzept
Analytische Praxis für Beratung, Weiterbildung und Supervision


Inhalt

1. Vereinsgeschichte
2. Allgemeine Einführung
   2.1 Beratung
   2.2 Weiterbildung
3. Theoretische Grundhaltung
   3.1 Sexualpädagogischer Ansatz
   3.2 Psychoanalytisches Verstehen
   3.3 Gruppendynamik
4. Die Beratungsarbeit
5. Fortbildungsangebote und Multiplikatorenarbeit
   5.1 Supervision



1. Vereinsgeschichte

Die Analytische Praxis entwickelte sich aus dem Verein Wildwasser. Dieser Verein gründete sich im Jahr 1987. Die Gründungsfrauen stammten aus einem Arbeitskreis gegen sexuelle Gewalt und aus einer Selbsthilfegruppe von Frauen, die als Mädchen sexuelle Gewalt erfahren hatten. Der Name „Wildwasser“ symbolisiert energievolles, sprudelndes Wasser, das sich seinen Weg bahnt. Dieser Name entstand in Anlehnung an die erste Berliner Selbsthilfegruppe von betroffenen Frauen, die sich 1982 gegründet hatte.

Die theoretische Ausgangsbasis unserer Tätigkeit ist die Psychoanalyse unter Einbeziehung der Gruppendynamik.

Die Psychoanalyse ist unseres Erachtens das am besten geeignete Theoriemodell, um die menschlichen Zustände und Konflikte mit all ihren unbewußten und bewußten Gefühlen zu erklären. Unsere Ausgangsbasis ist das klassische Konfliktverständnis der Psychoanalyse. Im Weiteren stützen wir uns auf die dualistische Trieblehre von Sigmund Freud. Wir gehen dabei nicht nur vom Sexualtrieb, sondern insbesondere vom Aggressionstrieb aus.

Wir bieten Beratungen an, in denen alle Anfragen zum obengenannten Themenkreis platziert werden können. Es gibt hierzu folgende Angebote:

  • offene Sprechstunde
  • Einzelberatung
  • Selbsterfahrungsgruppen
  • Supervision in Form von Einzel-, Gruppen- oder Teamsupervision
  • Balintgruppen
  • Ausbildung zum Sexualpädagogen
  • Analytische Beratungsausbildung
  • Ausbildung in Theorie der Psychoanalyse
  • Ausbildung zum Supervisor oder zur Supervisorin

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    2. Allgemeine Einführung

    2.1 Beratung

    Die Analytische Praxis bietet Männern und Frauen die Möglichkeit, über erlebte Erfahrungen aus der Vergangenheit und der Gegenwart zu sprechen.

    Es besteht ein umfangreiches Hilfsangebot, das von psychosozialer Beratung über Krisenintervention und Langzeitberatung bis hin zu Selbsterfahrungsgruppen reicht.

    Neben der allgemeinen Arbeit auf vielen Themenfeldern zur Stabilisierung der eigenen Identität bieten wir insbesondere Hilfe bei der Aufarbeitung von sexueller Gewalt an. Diese wird in der Regel in Einzel- und Gruppensitzungen geboten.

    Ein anderer Schwerpunkt ist die Arbeit mit Fragen aus beruflichen Zusammenhängen. Dazu bieten wir neben den Weiterbildungsangeboten Supervision in unterschiedlichen Settings an.


     

    2.2 Weiterbildung

    Mitarbeiter aus sozialen Arbeitsfeldern bieten wir die Möglichkeit, sich durch Einzelberatung, Supervision und Fortbildungen weiter zu qualifizieren. Angebotene Maßnahmen sind die sexualpädagogische Zusatzausbildung sowie die analytische Beratungsausbildung, die jeweils zwei Jahre dauern. Aufbauend darauf bieten wir eine zweijährige Ausbildung in psychoanalytischer Theorie an, um die Theoriekenntnisse im Bereich der Psychoanalyse zu etablieren und die Fachlichkeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu stärken.

    Neben diesen Ausbildungen haben wir seit 2014 eine Ausbildung zum Supervisor oder zur Supervisorin entwickelt, die sich über 2 bis 3 Jahre erstreckt und sich nach den Kriterien der DGSv richtet.

    Weitere Fortbildungen werden themenzentriert über ein regelmäßig erscheinendes Programmheft angeboten.

    Es besteht auch die Möglichkeit einer individuellen Fortbildung, welche z.B. auf die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Problematiken einer Institution zugeschnitten ist.

    Ein weiterer Bereich ist die Öffentlichkeitsarbeit. Die Öffentlichkeit soll für das Thema Sexualität und sexuelle Gewalt sensibilisiert werden, um zu einer psychoanalytischen Auseinandersetzung mit diesem Themengebiet anzuregen. Hierzu werden Informations- und Diskussionsveranstaltungen organisiert, bei denen Mitarbeiterinnen als Referentinnen fungieren. Insbesondere die von der Analytischen Praxis ausgebildeten Sexualpädagoginnen und Sexualpädagogen werden für solche Veranstaltungen weiterempfohlen.


     

    3. Theoretische Grundhaltung

    Wir arbeiten nach den Grundsätzen der modernen Psychoanalyse. Insbesondere haben wir uns an den theoretischen Vorstellungen von Otto F. Kernberg orientiert, der die Objektbeziehungstheorie mitgeprägt hat und Wert auf die Integration des dualen Triebmodells und der Ich- Psychologie legt.

    Wir haben uns mit der Bindungstheorie von Bowlby beschäftigt und stehen den Ansätzen von Fonagy offen gegenüber, der insbesondere die Mentalisierung in den Vordergrund einer intakten Psyche stellt. Die weitere Entwicklung der Intersubjektivitätstheorie sehen wir als eine gute Ergänzung zu unseren bestehenden Grundlagen an.


     

    3.1 Sexualpädagogischer Ansatz

    Die Analytische Praxis geht in ihren Überlegungen davon aus, dass es zur eigenen Identitätsfindung unerlässlich ist, die eigene Sexualität und die eigenen Aggressionen zu kennen und zu definieren. Die Sexualität und die Aggression sind die Bausteine der eigenen Identität.

    Wenn der Zugang zur eigenen Sexualität fehlt, ist eine wichtige Voraussetzung nicht vorhanden, um sich selber als sexuelles Wesen akzeptieren zu können. Durch die fehlende Akzeptanz der eigenen Sexualität muss diese tendenziell verdrängt oder abgespalten werden. Dies bedeutet für viele Menschen, dass ihre Sexualität für sie nicht bewusst zugänglich ist. Durch das Nichterleben einer befriedigenden Sexualität ist aus unserer Sicht die Lebensqualität von Menschen gemindert, da eine lustvolle befriedigende Sexualität einen wesentlichen Bestandteil eines glücklichen und zufriedenen Lebens darstellt.

    Sexualität ist das Potential für ein kreatives und lustvolles Leben. Die Analytische Praxis sieht im Erleben der eigenen Sexualität die Basis des menschlichen Daseins.

    Eine Voraussetzung, seine eigene Sexualität akzeptieren zu können, ist der direkte Zugang zur eigenen Aggression. Ist der Zugang zur eigenen Aggression wegen Abspaltung oder Verdrängung nicht gegeben, fehlt ein wichtiger Bestandteil, um sich selbst definieren zu können. Das Erkennen der eigenen Aggression und deren Hinzunahme ins bewußte Erleben ist ein wichtiger Schritt, verantwortlich mit dieser umzugehen.

    Wir möchten an dieser Stelle besonders auf die Präventionsarbeit gegen sexuelle Gewalt hinweisen. In diesem Zusammenhang wird häufig das Setzen von Grenzen als wesentlicher Bestandteil der Präventionsarbeit mit Kindern und Jugendlichen genannt. Können Kinder und Jugendliche aber Grenzen setzen, so ist das situationsadäquate Setzen von Grenzen eine Selbstverständlichkeit und muß nicht gesondert erlernt werden. Grenzen zu setzen ist ein wesentlicher Bestandteil der eigenen Identität. Fehlt diese Fähigkeit, ist ein Mensch gegen Übergriffe nicht genügend geschützt und neigt selbst zu übergriffigem Sozialverhalten.


     

    3.2 Psychoanalytisches Verstehen

    Wie zu Beginn schon dargestellt, beschäftigen wir uns besonders mit der Sexualität und den Aggressionen.

    Beide Bereiche werden stark durch unser Unbewusstes geprägt. Aus diesem Grund ist es notwendig, sich mit dem Unbewussten auseinanderzusetzen. Aus unserer Sicht hat die Psychoanalyse das wichtigste und umfangreichste Theoriekonzept zu diesem Themengebiet. Das psychoanalytische Verstehen basiert darauf, unbewusste Widerstandsphänomene zu analysieren und diese zu verstehen. Richtig erkannte Widerstandsphänomene sind der Schlüssel zum Verstehen der jeweiligen Klienten.

    An dieser Stelle ist die Definition des Phänomens des Widerstandes anhand eines theoretischen Hintergrunds sinnvoll, da es für unsere Arbeit von zentraler Bedeutung ist:

    Wir arbeiten mit einem Widerstandskonzept, welches auf einer psychoanalytischen Sichtweise beruht und sehen den Widerstand als eine Schutzvorrichtung in den Vordergrund gestellt. Es geht um das Verstehen unbewusster Prozesse, die intrapsychisch wirksam sind und die die Beziehungen zwischen Menschen interpsychisch wesentlich beeinflussen.

    Widerstände gehören zu den zentralen Verstehenskategorien, ebenso Übertragung und Gegenübertragung. Nach Sigmund Freud beinhaltete der Begriff des Widerstandes „...was immer die Fortsetzung der Arbeit stört...". Damit sind die Störungen in der beraterischen Beziehung gemeint. Der Klient, der Hilfe sucht, macht wie sein Berater die Erfahrung, dass der Prozess der Veränderung als solcher beunruhigend ist, da das erreichte Gleichgewicht, selbst wenn es mit schweren Einbußen der inneren und äußeren Bewegungsfreiheit einhergeht, bisher eine gewisse Stabilität garantierte. Auf der Grundlage des erreichten Gleichgewichts erwartet der Klient unbewusst Ereignisse, welche auch negativer Art sein können.

    Hier bildet sich ein Kreislauf, der sich selbst aufrecht erhält und verstärkt („selfperpetuating circle“). Obwohl der Klient auf der bewussten Ebene eine Veränderung anstrebt, versucht er unbewusst, das ehemals erreichte Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, da dies auch eine Reduzierung von Angst und Unsicherheit bedeutet.

    Die vielgestaltigen Formen des Widerstandes haben also die Funktion, das erreichte Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.

    Hieraus ergeben sich verschiedene Aspekte: Die Beobachtung des Widerstandes ist an die beraterische Beziehung gebunden. Somit sind Widerstände Teil des beraterischen Prozesses. Die Fortsetzung der Zusammenarbeit kann vielfältig gestört werden. Es gibt also keine Verhaltensweise, die nicht als Widerstand eingesetzt werden könnte, wenn sie eine bestimmte Stärke erreicht hat. Wird ein gewisser Intensitätsgrad überschritten, leidet die Zusammenarbeit. Widerstände werden nach qualitativen und quantitativen Kriterien eingeschätzt. In dieser Konzeption können nicht sämtliche Klassifikationen des Widerstands aufgeführt werden. Es soll nur ein Eindruck dessen entstehen, was man unter dem Phänomen versteht und wie die beraterische Arbeit beeinflusst wird.

    Aufgrund der eben beschriebenen Funktion des Widerstandes lässt sich auch besser verstehen, warum die Analytische Praxis den Widerstand als ein wesentliches diagnostisches Mittel in seiner Arbeit ansieht. Es ist die Schutzfunktion des Widerstandes, welche gesehen wird und die Angst, welche dahinter steht.

    Freud formulierte 1910 das Gegenübertragungskonzept als „Störung der psychoanalytischen Behandlung durch eigene neurotische Konflikte des Therapeuten/Beraters und dadurch bedingte innere Widerstände“. Freuds Ziel war es, „die Gegenübertragung zu erkennen und zu beherrschen“.

    Paula Heimann hingegen entwickelte 1950 eine andere Sichtweise der Gegenübertragung. Für sie war die Gegenübertragung ein Schlüssel zum Verständnis des Klienten und damit ein wirksames diagnostisches Instrument. Wir haben uns der Sichtweise von Paula Heimann angeschlossen.


     

    3.3 Gruppendynamik

    In der Analytischen Praxis finden viele Beratungsformen in Gruppen statt. Die Gruppen sind ähnlich wie in den Herkunftsfamilien mit unterschiedlichen Personen besetzt. Der Klient kann dadurch in den stattfindenden Gruppen seine Herkunftsfamilie vollständig reinszenieren. Wir haben als Leiter des Settings die Aufgabe, die jeweilig stattfindenden Reinszenierungsprozesse zu analysieren und den Klienten dieses Wissen zur Verfügung zu stellen.

    In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass eine positive Übertragungsbeziehung Voraussetzung für konfrontative Interventionen ist. Ebenfalls entscheidend ist an dieser Stelle das genaue Abgrenzen der Reinszenierungsprozesse (und somit Aktivierung von Vergangenem) von Konflikten, die mit der realen Gruppe im tatsächlichen Hier und Jetzt stattfinden.


     
     

    4. Die Beratungsarbeit

    Eine wesentliche Komponente unserer Beratungsarbeit besteht in der Möglichkeit, uns als Projektionsfläche für Vater- und Mutterübertragungen zur Verfügung zu stellen. An dieser Stelle wird deutlich, dass die theoretische Heimat eine modifizierte Psychoanalyse ist. Im Gegensatz zur klassischen Psychoanalyse arbeitet die Analytische Praxis in der Beratungstätigkeit eher in der Gegenwart. Wir gehen davon aus, dass sämtliche unverarbeiteten frühkindlichen Konflikte in der Beziehung zwischen der Beraterin und den Klienten reinszeniert werden. An dieser Stelle soll aber erwähnt werden, dass wir diesen Beratungsansatz nur gegenüber nicht psychotischem Klientel wählen. Psychotisches Klientel wird in der Regel nur unterstützend beraten und kann nicht an Selbsterfahrungsgruppen teilnehmen.

    Da dieses Beratungskonzept stark von Reinszenierungen aus dem Unbewussten lebt, ist es in der Beratung häufig nicht von so großer Dringlichkeit, Fragen zur Vergangenheit zu stellen. Wir verlassen uns vielmehr darauf, dass die Klienten die unverarbeiteten Konflikte unbewusst inszenieren. Aus diesem Beratungsansatz heraus wird deutlich, wie wichtig das durch Supervision und Weiterbildung sich verschaffte Bewusstsein über Gegenübertragungen ist.

    Langzeitberatung bedeutet, dass wir im Kontakt mit dem Klienten dessen Defizite aus der Kindheit auszugleichen versuchen. Durch den Gegenwartsaspekt führen wir die Klienten weniger in die Regression, sondern arbeiten mit ihnen mehr auf der Erwachsenenebene. Wir gehen mit den Klienten nur dann in die Vergangenheit, wenn diese Verknüpfung eine Verdeutlichung der Problematik verspricht. Auf diese Weise „bestimmt“ der Klient das Tempo und die Intensität der Beratung, wobei die Leitung des Settings bei uns bleibt.

    Eine wichtige Ausgangsvoraussetzung ist dabei die Wahrung der Distanz innerhalb der Beratung. Methodisch wird dies z. B. dadurch unterstützt, dass wir die Klienten siezen. Wir sind durch das „Sie“ geschützt und können in der Beratung eher Projektionsfläche für Autoritätskonflikte werden. Durch diese Möglichkeit der Projektion (Vater-/Mutterübertragungen) ist es den Klienten möglich, ihre Defizite (Vater/Mutter) auszugleichen, da sie in der Beziehung mit uns einen anderen Umgang mit den Konflikten erleben und an diesen neuen Erfahrungen wachsen können. Im Beratungskontakt bedeutet das für uns, dass wir die Enttäuschungen seitens der Klienten aus der Elternbeziehung und die damit verbundenen Aggressionen in unserer Rolle als „Zielscheibe" aushalten. Wenn die Klienten in der Beratung erleben, dass wir diesen Gefühlen standhalten, erleben sie im Kontakt mit uns ein Angenommensein und Gehaltenwerden. Die Klienten erfahren, dass ihre Aggressionen nicht „mörderisch“ sind und lernen dadurch ihre eigenen Aggressionen zu akzeptieren. Durch dieses Angenommensein sind sie in der Lage, sich auch selbst stärker anzunehmen. Dies ist ein weiterer Baustein zur Identitätsbildung. Die vorherige Ausführung begünstigt im Weiteren die Rollenklarheit innerhalb der Beratung.

    Die Analytische Praxis geht davon aus, dass insbesondere sexuelle Gewalt mit Rollenunklarheit verbunden ist. Menschen, die Kinder zu sexuellen Handlungen verführen oder anleiten, verlassen ihre Rolle. Ein Vater, der seine Tochter sexuell missbraucht, indem er sie zum Geschlechtsverkehr verführt, ist nicht mehr in der Rolle des Vaters. Er macht die Tochter zu seiner Geliebten und sich selbst zum Geliebten. Aus unserer Erfahrung trifft diese Rollenkonfusion auf viele Konflikte, die Menschen in ihrer Entwicklung erleben, zu. Aus diesem Grund ist es wichtig, im Beratungsprozess mit den Klienten die Rollenklarheit zu halten.

    Rollenklarheit im beraterischen Setting gibt den Klienten die Sicherheit, dass es Autorität auch ohne Missbrauch von Macht gibt. Autorität bedeutet nicht automatisch Machtmissbrauch, sondern Klarheit und somit Schutz in der Beratungsarbeit. Nur in solch einem geschützten Rahmen ist es den Klienten möglich, erlebten Machtmissbrauch zu thematisieren und aufzuarbeiten. Erleben die Klienten in der Beratung, dass jemand Autorität besitzt, ohne diese zu missbrauchen, werden sie ermutigt. einer Autorität wieder zu vertrauen. Im Weiteren liefern wir den Klienten ein Vorbild, wie man mit der eigenen Autorität umgehen kann. Eigene Autorität ist der Hintergrund, um Grenzen in Beziehungen setzen zu können.

    Dies ist deshalb so wichtig, weil wir davon ausgehen, dass z.B. eine Traumatisierung nicht allein durch die Handlung entstanden ist, sondern dass der Vertrauensverlust, den die Klienten in der Beziehung erlebt haben, mitentscheidend dazu beiträgt. Wichtig in der Beratung ist der vorsichtige Umgang mit dem Trauma der Klienten, denn nicht jedes Trauma kann aufgearbeitet werden. Die damit verbundenen Gefühle könnten die Klienten dermaßen instabilisieren, dass ihre psychische Gesundheit dadurch gefährdet wäre. Bei jedem Klienten muss genau überprüft werden, ob sich die Gefühle, die durch die Bearbeitung seiner Erfahrungen entstehen, langfristig stabilisieren lassen. In manchen Beratungsprozessen ist es sinnvoll, auf die Aufdeckung zu verzichten. „Psychisch gesunde“ Klienten sind in der Lage, durch inszenierte Widerstände deutlich zu signalisieren, dass sie ihre Erlebnisse noch nicht bearbeiten können. Psychotische Klienten dagegen sind nur bedingt in der Lage, sich auf eine Aufarbeitung unsererseits einzulassen. In der Regel sieht eine Beratung in solch einem Fall eher ein Begleiten in der konkreten Lebenssituation vor. Wir bieten diesen Klienten insbesondere unsere offene Sprechstunde an, da sie in der Regel zwar dauerhaft Beratung benötigen, aber momentan nicht in der Lage sind, sich auf verbindlichere Arbeitsstrukturen einzulassen. Für diesen Kreis ist das relativ offene Angebot leichter zu akzeptieren, und trotzdem zeigt sich in der Praxis, dass es auch bei diesem Angebot zu verbindlicheren Beratungsbeziehungen kommen kann.

    Das Beratungsangebot für unser Klientel umfaßt drei unterschiedliche Ausgestaltungen:

    Eine wöchentliche offene Sprechstunde als ständiges niedrigschwelliges Angebot für Menschen, die ohne Termin entweder einmalig oder auch mehrmals beraten werden möchten.

    Des Weiteren vergibt die Analytische Praxis Einzelberatungstermine. Die Einzelberatungen sind in erster Linie Kriseninterventionen. In diesen Gesprächsreihen soll der akute Beratungsbedarf ermittelt und Perspektiven erarbeitet werden, um mit der aktuellen Lebenssituation umgehen zu können. Dieser Ansatz verfolgt das Ziel, die Klienten intrapsychisch zu stabilisieren. Außerdem werden den Klienten praktische und konkrete Möglichkeiten aufgezeigt, um mit ihrer problematischen Lebenssituation umgehen zu können.
    Langfristige Einzelberatungen werden in der Regel nicht durchgeführt, sondern erfolgen in Gruppen. Menschen die nicht langfristig in eine Selbsterfahrungsgruppe gehen, raten wir, sich um eine Psychotherapie bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten zu bemühen.

    Der Schwerpunkt der Beratungsarbeit liegt in der Bildung von Selbsterfahrungsgruppen. Dies hat mit der geschichtlichen Entwicklung der Analytischen Praxis zu tun. Wenn Klienten eine Selbsterfahrungsgruppe besuchen, wird ein Kostenbeitrag vereinbart. Weiterhin wird auf die Wahrung der Anonymität der Klienten geachtet. Keine Person erfährt von den Mitarbeiterinnen, ob eine Person die Analytische Praxis aufgesucht hat. Die Anonymität wird nur mit Zustimmung oder auf Wunsch der Betroffenen aufgehoben.


     
     

    5. Fortbildung und Multiplikatorenarbeit

    Der Bereich der Fortbildung/Multiplikatorenarbeit nimmt einen wichtigen Raum ein. Auch hier finden dieselben theoretischen Grundlagen wie in der Beratung Anwendung.

    Insbesondere die sexualpädagogische Zusatzausbildung wie auch die analytische Beratungsausbildung sollen die Teilnehmer dazu befähigen, in ihren jeweiligen Praxisfeldern sexualpädagogische Themengebiete in Projektarbeiten sowie in Beratungssituationen anzusprechen. Ausgangsbasis für diese Ausbildung ist die Bereitschaft der Teilnehmer, sich persönlich mit dem Themengebiet Sexualität auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die Ausbildung eine berufliche Weiterbildung und kein Therapiesetting darstellt. Ein wichtiger Baustein der Zusatzausbildung sind die unterschiedlichen Theorien der Sexualpädagogik. Das Ziel der Ausbildung zum Sexualpädagogen oder zur Sexualpädagogin ist, über die Vermittlung von Methoden und theoretischen Zusammenhängen hinaus eine ganzheitliche Einstellung zur Sexualpädagogik zu vermitteln.

    Unsere seit 2014 angebotene Ausbildung zum Supervisor oder zur Supervisorin ist eine Fortbildungsreihe, die sich durch unsere jahrelange Erfahrung als Ausbildungsstätte entwickelt hat. Diese Zusatzausbildung soll die Ausbildungskandidaten dazu befähigen, als Supervisor oder Supervisorin tätig zu werden..


     

    5.1 Supervision

    Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, bietet die Analytische Praxis Einzelsupervision, Teamsupervision und Gruppensupervision an.

    Durch die Supervision werden Multiplikatoren aus sozialen Arbeitsfeldern befähigt, professioneller mit den ihnen gestellten Aufgaben umzugehen. Dieser Lernort ist vor allen Dingen durch die Anregung geprägt, Arbeitsschritte zu reflektieren.

    Durch eingebrachte Fallbeispiele aus der Praxis werden spezifische Handlungsschritte erarbeitet. Die Supervisanden werden dadurch ertüchtigt, diese in der eigenen Praxis umzusetzen.

    Die theoretischen Grundlagen der Supervision basieren auf der Psychoanalyse, diese wird durch die angewandte Gruppendynamik unterstützt.

    Die Einzelsupervision stellt für viele Supervisanden eine Möglichkeit dar, sich in einem sehr geschützten Setting ein Bewusstsein über die eigenen Anteile der Dynamik zu verschaffen. Einzelsupervisanden sind häufiger in herausgehobenen Positionen ihrer Institution tätig und holen sich durch Supervision ein Spezialwissen, um in ihrem Aufgabengebiet fachkompetent zu arbeiten.

    Teamsupervisionen und hausinterne Gruppensupervisionen werden jeweils mit den auftraggebenden Institutionen abgesprochen, in der Regel sind die institutionellen Zusammenhänge in einem derartigen Prozess von tragender Bedeutung.

    Wir gehen üblicherweise davon aus, dass ein Supervisionsprozess mind. 15 Sitzungstermine beinhaltet. Das Einzugsgebiet der Teilnehmer bzw. der Teams oder Gruppen erstreckt sich über ganz NRW, in Einzelfällen auch über die gesamte Bundesrepublik und das deutschsprachige Ausland. Auch in diesem Setting arbeiten wir nach den gleichen theoretischen Grundlagen wie in den anderen Beratungssettings, d.h. psychoanalytisch, gruppendynamisch und sexualpädagogisch.

    Ein weiterer Baustein in den Supervisionsprozessen ist der „institutionelle Zusammenhang“. Institutionelle Konflikte werden des Öfteren auf der persönlichen Ebene ausgetragen; in anderen Fällen wiederum kann es passieren, dass institutionelle Konflikte vorgeschoben werden, um persönliche Konflikte ausleben zu können.

    Bei einer Institutionsanalyse geht es zudem immer um die unterschiedlichen Rollen innerhalb einer Institution. Aus diesem Grund legen wir in der Supervisionsarbeit besonderen Wert auf Rollenklarheit, denn auch hier kann es passieren, dass Rollen nicht eingehalten werden und auch die Aufgaben, die zu bearbeiten sind, nicht zu der jeweiligen Rollen passen.

    Supervision bietet für Supervisanden die Möglichkeit, sich Dinge in einem geschützten Rahmen zu vergegenwärtigen. Durch die Reflexion tritt eine Verlangsamung ein, die es Supervisanden erlaubt, unbewusste Prozesse intrapsychisch, teamorientiert und institutionsgerichtet zu erarbeiten. Unverarbeitete Konflikte aus der Pubertät, d.h. Autoritätsproblematiken, werden sehr häufig in der Supervision reinszeniert. Um einen Zugang zu diesen Reinszenierungen zu erlangen, berücksichtigen wir in der Arbeit vor allem das „szenische Verstehen“. Wir sehen szenisches Verstehen immer unter dem Aspekt der unbewussten Anteile. Diese können in der Supervision dadurch zugänglich werden, dass man den Supervisanden emphatisch versteht. Wir gehen in die Identifikation mit dem Supervisanden und erhalten dadurch Zugang zu dessen Unbewusstem. „Gleiches kann man nur mit Gleichem erkennen!“ Nur über den Zugang zum Unbewussten kann es mir gelingen, emphatisches Verstehen zu entwickeln.

    An dieser Stelle möchten wir den Begriff emphatisches Verstehen erklären: Emphatisches Verstehen ist eine Haltung, die sämtliche Emotionen des Klienten einschließt: Hass und Liebe, Trauer und Schmerz, Enttäuschung und Wut. Der Focus liegt auf den Anteilen, die die Menschen bei sich selbst nur schwer sehen oder akzeptieren können, und die daher eher abgespalten oder verdrängt werden.


     
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