Konzeptionelle Ausführungen zur Beratungsstelle

Die Beratungsstelle bietet Mädchen und Frauen die Möglichkeit über erlebte Erfahrungen zu sprechen. Mädchen und Frauen soll bewusst gemacht werden, dass sie die sexuelle Gewalt überlebt haben, und dass sie die ihnen zur Verfügung stehenden Energien für sich nutzen können. Es besteht ein umfangreiches Hilfsangebot, das von psychosozialer Beratung über Krisenintervention und Langzeitberatung bis hin zu Selbsterfahrungsgruppen reicht.

 
 

Neben der Arbeit mit Frauen und Mädchen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, unterstützt AP Dortmund MitarbeiterInnen aus sozialen Arbeitsfeldern, in denen sie mit der Problematik des sexuellen Mißbrauchs konfrontiert werden. Dies wird in der Regel in Einzelberatungen oder Gruppen angeboten.

Die wesentlichen Elemente der Beratungsarbeit mit betroffenen Frauen sehen die Mitarbeiterinnen von AP Dortmund in der Möglichkeit, sich als Projektionsfläche für Vater- und Mutterübertragungen zur Verfügung zu stellen. An dieser Stelle wird auch deutlich, dass die theoretische Heimat eine modifizierte Psychoanalyse ist.

 
 

Im Gegensatz zur klassischen Psychoanalyse arbeitet AP Dortmund in der Beratungstätigkeit mehr in der Gegenwart. Wir gehen davon aus, dass sämtliche unverarbeiteten frühkindlichen Konflikte in der Beziehung zwischen der Beraterin und der Klientin reinszeniert werden.

An dieser Stelle soll aber erwähnt werden, dass wir diese Beratungshaltung nur auf nicht psychotisches Klientel anwenden. Psychotische Klientinnen werden in der Regel von uns nur unterstützend beraten und können nicht an Selbsterfahrungsgruppen teilnehmen.

 
 

Da dieser Beratungsansatz stark von Reinszenierungen aus dem Unbewussten lebt, ist es in der Beratung häufig nicht von so großer Dringlichkeit, Fragen zu sexueller Gewalt in der Vergangenheit zu stellen. Die Beraterinnen verlassen sich vielmehr darauf, dass die Klientinnen ihre unverarbeiteten Konflikte unbewusst inszenieren. Aus diesem Beratungsansatz heraus wird deutlich, dass bei AP Dortmund nur ausgebildete Beraterinnen tätig sind, die sich durch Supervision und Weiterbildung Bewußtsein über ihre Gegenübertragungen verschafft haben.

Langzeitberatung bedeutet, dass die Beraterinnen im Kontakt mit der Klientin deren Defizite aus der Kindheit auszugleichen versuchen. Durch den Gegenwartsaspekt führen die Beraterinnen die Klientinnen weniger in die Regression, sondern arbeiten mit ihnen mehr auf der Erwachsenenebene. Die Beraterinnen gehen mit den Klientinnen nur dann in die Vergangenheit, wenn diese Verknüpfung eine Verdeutlichung der Problematik verspricht.
Auf diese Weise „bestimmt“ die Klientin das Tempo und die Intensität der Beratung, die Beraterin leitet das Setting in der Beratung.

 
 

Eine wichtige Ausgangsvoraussetzung ist dabei die Wahrung  die Distanz innerhalb der Beratung.
Methodisch wird dies z.B. dadurch unterstützt, dass Beraterin und Klientin sich gegenseitig siezen. Die Beraterin ist durch das „Sie“ geschützt und kann in der Beratung eher Projektionsfläche für Autoritätskonflikte werden. Durch diese Möglichkeit der Projektionsfläche (Vater-/Mutterübertragungen) ist es den Klientinnen möglich, ihre Defizite (Vater/Mutter) auszugleichen, da sie in der Beziehung mit der Beraterin einen anderen Umgang mit den Konflikten erleben und an diesem neuen Umgang wachsen können.

Im Beratungskontakt bedeutet das für die Beraterin, dass sie die Enttäuschungen seitens der Klientin aus der Elternbeziehung und die damit verbundenen Aggressionen als Projektionsfläche aushalten muss. Wenn die Klientinnen in der Beratung erleben, dass die Beraterinnen ihre Trauer und Aggression aushalten, erleben sie im Kontakt mit der Beraterin ein Angenommensein. Die Klientinnen erfahren, dass ihre Aggressionen nicht „mörderisch“ sind und können dadurch ihre eigenen Aggressionen akzeptieren.

 
 

Durch dieses Angenommensein sind sie in der Lage, sich auch selbst mehr anzunehmen. Dies ist ein weiterer Baustein zur Identitätsbildung.

Die vorherige Ausführung begünstigt im weiteren die Rollenklarheit innerhalb der Beratung. AP Dortmund geht davon aus, dass sexuelle Gewalt mit Rollenunklarheit verbunden ist.

 
 

Menschen, die Kinder zu sexuellen Handlungen verführen und anleiten, verlassen ihre Rolle. Ein Vater, der seine Tochter sexuell missbraucht und sie zum Geschlechtsverkehr anleitet/verführt, ist nicht mehr in der Rolle des Vaters, sondern macht die Tochter zu seiner Geliebten und sich selbst zum Geliebten.

Aus diesem Grund ist es wichtig, im Beratungsprozess Rollenklarheit mit den Klientinnen zu praktizieren. Rollenklarheit im beraterischen Setting gibt der Klientin die Sicherheit, dass es Autorität gibt ohne Missbrauch von Macht. Autorität bedeutet nicht autoritär, sondern Klarheit und somit Schutz in der Beratungsarbeit. Nur in solch einem geschützten Rahmen ist es der Klientin möglich, erlebten Machtmissbrauch zu thematisieren und aufzuarbeiten.

 
 

Erleben die Klientinnen in der Beratung, dass jemand Autorität besitzt ohne diese zu missbrauchen, werden sie ermutigt dieser Autorität wieder zu vertrauen. Im weiteren liefert die Beraterin der Klientin ein Vorbild, wie man mit der eigenen Autorität umgehen kann. Eigene Autorität ist der Hintergrund um Grenzen in Beziehungen setzen zu können.

Dies ist für AP Dortmund deshalb so wichtig, weil die Beraterinnen davon ausgehen, dass das Trauma nicht allein durch die sexuellen Handlungen entstanden ist, sondern dass der Vertrauensverlust, den sie in der Beziehung zum Täter/zur Täterin erlebt haben, mitentscheidend dazu beiträgt.

 
 

Ein weiterer Punkt in der Beratung ist der vorsichtige Umgang mit dem Trauma der Klientinnen. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die Beraterinnen davon ausgehen, dass nicht jedes Trauma aufgearbeitet werden kann. Die damit verbundenen Gefühle könnten eine Klientin dermaßen instabilisieren, dass ihre psychische Gesundheit dadurch gefährdet wäre.

Bei jeder einzelnen Klientin muß genau überprüft werden, ob sich die Gefühle, die durch die Bearbeitung ihrer sexuellen Gewalterfahrungen entstehen, langfristig stabilisieren lassen.
In manchen Beratungsprozessen ist es sinnvoll, auf die Aufdeckung zu verzichten.

 
 

„Psychisch gesunde“ Klientinnen sind in der Lage, durch inszenierte Widerstände deutlich zu signalisieren, dass sie ihre sexuellen Gewalterlebnisse noch nicht bearbeiten können. Psychotische Klientinnen dagegen sind nur bedingt in der Lage, sich auf eine Aufarbeitung seitens der Beraterin einzulassen. In der Regel sieht eine Beratung in solch einem Fall eher ein Begleiten in der konkreten Lebenssituation vor.

Wir bieten diesen Klientinnen insbesondere unsere offene Sprechstunde an, da sie in der Regel zwar dauerhaft Beratung benötigen, aber nicht in der Lage sind, sich auf verbindlichere Arbeitsstrukturen einzulassen. Für diesen Kreis ist das relativ offene Angebot  leichter zu akzeptieren, und trotzdem erweist es sich in der Praxis, dass es auch bei diesem Angebot zu verbindlicheren Beratungsbeziehungen kommen kann.

 
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